Gauselmann, Paul
Zum 50. Geburtstag von Paul Gauselmann 1984
aus dem Automatenmarkt 5/84
Dem Feinmechaniker Paul Gauselmann hatte sein „Erfindungsdrang" nie Ruhe gelassen. Schon in jungen Jahren versuchte er die Dinge immer so zu gestalten, daß sie auf die Praxis zugeschnitten waren. Neben seinem Hauptberuf tat er schon Mitte der fünfziger Jahre die ersten Schritte im Aufstellgewerbe. Eine seiner ersten Erfindungen zeigte er damals Dr. Wilhelm Foelkel, dem ehemaligen Chef des Automatenherstellers Harting, und wollte einen Produzenten finden. Foelkel fand die Erfindung sehr gelungen, doch sie paßte nicht so ganz in das Geräteprogramm der Firma. Wer jedoch prima in die Firma paßte, war der Erfinder selbst. Für 600 Mark Monatslohn, damals für einen jungen Mann sehr viel Geld, blieb Paul Gauselmann bei Harting, wurde führender Denker in der Entwicklungsabteilung und meldete schon seine ersten Patente zusammen mit Dr. Foelkel an. Der ehemalige Harting und spätere Wurlitzer-Chef ist heute noch froh und stolz darauf, einer der „Entdecker" und Förderer des Erfindertalentes von Paul Gauselmann gewesen zu sein.
1964 legte Gauselmann dann als Unternehmer den Grundstein für seine heutige Firmengruppe. Es begann mit den Musikbox-Umbauten unter dem Motto „Das neue Kleid". Hinzu trat dann der Schlüsseltresor, ohne den heute kein größerer Aufstellbetrieb mehr auskommt.
Auf der Suche nach Vertriebswegen entschied sich der Espelkamper Jungunternehmer wieder für den„ eigenen" Weg. Er gründete die Firma Automaten-Center und damit viele Ideen „aus der Praxis für die Praxis", die den Weg direkt zum Kunden finden konnten, folgte dann bald auch eine eigene Entwicklungsabteilung.
Zu dieser Zeit war Paul Gauselmann bereits zehn Jahre im Vorstand des Deutschen Automaten-Verbandes und für die Zeit von 1971 bis 1972 dessen erster Vorsitzender. In der Zentralorganisation der Aufstellunternehmer war er Vizepräsident und stolz darauf, die Verbindung zur Basis, zum Aufstellbetrieb, in so enger Art und Weise geknüpft zu haben. Hans Rosenzweig erinnerte sich, daß sie viele gemeinsame Stunden damit verbracht haben, neue Ideen auszutüfteln, das Vorhandene zu verbessern und die Gesamtbranche ein Stück weiter zu bringen.
Ein markantes Jahr in der Firmenentwicklung war dann das Jahr 1974. In diesem Jahr erfolgte der Aufbau der ersten modernen Spielstätten nach dem Spielothek-Konzept. Hiermit begann eine neue Ära. Die Spielhallen alten Typs, sicher nicht immer ansehnlich und mit dem „Spielhöllen-Image" behaftet, wurden abgelöst.
Viele Automatenkaufleute zogen zu Anfang erst ganz langsam mit. Völliges Umdenken war nötig, und der Wandel vollzog sich nicht immer ohne herbe Kritik. Inzwischen gibt es fast nur noch Spielhallen, die sich sehen lassen können. Auch darauf ist Paul Gauselmann stolz, denn er wollte nicht nur sein eigenes „Schäflein ins Trockene bringen", sondern Impulse geben, ohne deren Umsetzung er wenig Chancen für die Branche sah. Anerkennend sagt er heute, daß es sogar schon hier und da Spielhallen gibt, die vielleicht besser sind als seine eigenen. Schmunzelnd schiebt er hinterher: „Fragt sich nur, wie lange noch."
Es wird von vielen Stunden berichtet, in denen Paul Gauselmann sich Gedanken über neue Geldspielgeräte gemacht haben. Immer unter dem Eindruck, daß der Markt nur sehr schwer zu knacken sei.
Seit 1950 hatte kein anderer Mitbewerber die beiden bis dahin größten Herstellerfirmen gefährden können. Bis Paul Gauselmann sein Unternehmerherz in die Hand nahm und seinem Erfindungsgeist freien Lauf ließ. Der Name Merkur und die Gerätereihe Komet waren bald aus der Geldspielgerätelandschaft nicht mehr hinwegzuden ken und nehmen heute eine Spitzenstellung ein.
Folge der Erfolge war naturgemäß auch eine erhebliche Erweiterung des Vertriebssystems. Im Süden der Bundesrepublik diente die übernommene Firma Franken-Automaten als Sprungbrett für den Automaten-Südvertrieb, und im Norden wurde die renommierte Hamburger Importfirma Nova übernommen. Gleichzeitig erfolgte die Gründung der Stella in Hannover und der Start einer zweiten Geldspielgeräte-Serie unter dem Namen Saturn/Venus.
Schon 1982 lief der 75000. Merkur in Lübbecke vom Band, die Firmengruppe beschäftigte bereits über 1700 Beschäftigte, und die 100. Spielothek wurde eröffnet.
Bereits 1981 hatte Paul Gauselmann eine weitere schwere Aufgabe übernommen. Der Verband der Deutschen Automaten-Industrie wählte ihn zum Vorsitzenden der Abteilung Musik- und Unterhaltungsautomaten. Zu dieser Zeit war die Branche von vielen Angriffen aus den Medien und der Politik bereits stark verunsichert und mußte gleichzeitig verdauen, daß der große Boom der beiden vorangegangenen Jahre sich immer mehr in eine drohende Flaute wandelte. Auch in der Position des Verbandsvorsitzenden hat Paul Gauselmann neue Akzente gesetzt und aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Im eigenen Unternehmen und in der Verbandsarbeit hat er wie kein anderer enorme Mittel freigesetzt, um eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit betreiben zu können. „Wer etwas tut, muß auch sagen warum und wieso, sonst wird er falsch verstanden und es kommt zu Mißverständnissen", sagt der Espelkamper Unternehmer heute, und die ersten Früchte dieser Einstellung zeigen sich bereits in den großen „Opinion-Leader-Medien". Dort ist die Bereitschaft gewachsen, sich auf eine faire und sachkundige Art mit der Branche auseinanderzusetzen.
Paul im Glück (1987)
„Paul im Glück" - sehen Sie sich selbst auch so, Herr Gausehnann?
Mit fünf Seiten brachte das „manager magazin" in seiner November-Ausgabe eine Reportage über die Firmengruppe Gauselmann und ihren Gründer. So wie es sich an der Oberfläche darstellt. Deshalb auch oberflächlich?
Es ist noch nicht alltäglich, daß ein großes Wirtschaftsmagazin über Unternehmen unserer jungen Branche berichtet. Um so sensibler wird reagiert, wenn eine Ausnahme diese Regel bestätigt. Wurden Tatsachen richtig oder verdreht wiedergegeben? Wird auch kein Schaden angerichtet? Wo man in Branchenkreisen hinkommt, ist heftige Diskussion im Gange: „Haben Sie schon gelesen ... ?
Beispiel: „Paul im Glück", manager magazin 11/87. Der Branchenkundige entdeckt sogleich Fehlinterpretationen, Oberflächlichkeiten, Effekthascherei.
Der branchenkundige Journalist stellt aber fest: Sauber recherchiert! Kritisch, aber fair rübergebracht. Und für den branchenunkundigen Leser interessant!
So respektiert es im wesentlichen auch Paul Gauselmann, mit dem wir darüber sprachen. Wenngleich nicht mit allen Details einverstanden.
Aber was dürfen wir denn von einem Journalisten erwarten, der sich heute mit dieser Materie, morgen mit jener auseinandersetzen muß. Er muß sich zunächst mal aus „allgemein zugänglichen Quellen" informieren. Als Reporter steigt er dann tiefer ein und macht Momentaufnahmen.
Typisches Beispiel gleich im ersten Absatz:„... In seiner Garage in Espelkamp, einem kleinen Städtchen in der westfälischen Provinz, steht ein Mercedes 560 SEL, goldmetallic mit Autotelefon."
Nanu, denkt der Insider. Auffallend war doch jahrelang immer derselbe alte 450er mit Merkur- statt MercedesStern. Ein Chef-Fahrzeug, das gegenüber den (übrigens viel länger schon mit Telefon ausgerüsteten) Karossen seiner engeren Mitarbeiter eher etwas schäbig wirkte.
Des Rätsels Lösung: Paul Gauselmann hatte das neue Auto gerade bekommen, als der Reporter auftauchte. Das vorhergehende Fahrzeug hatte er acht Jahre lang gefahren. Einen Hang zum Understatement will er allerdings nicht bestätigen. „Ich bin eher konservativ", sagt er.
Konservativ?
Das sei kein Widerspruch zu seinem stets an Zukunftsperspektiven orientierten Aktivitäten als Unternehmer. Vielmehr die Wurzel seiner Persönlichkeit.
Paul Gauselmann: „Ich brauche Bodenhaftung, Beständigkeit, Traditionen. Um unkonventionell zu handeln, ist der feste Halt für mich unverzichtbar. Familie, Verband, Betrieb, da muß alles stimmen. Auch bei Risiken, die selbstverständlich jeder Unternehmer eingehen muß, setze ich die Überschaubarkeit voraus. Deshalb bin ich auch in schwierigen Situationen niemals echt gefährdet gewesen."
„Power Paul" nennt ihn das manager magazin. Gauselmann mag solche Flapsigkeit nicht. Zur Ehrenrettung des Reporters sei gesagt: Er muß diesen Spitznamen im Automaten Markt gelesen haben. Dort wurde er wahrheitsgemäß verewigt, nachdem ihn ein Tennisfreund zum fünfzigsten Geburtstag von Paul Gauselmann 1984 tatsächlich verwendet hatte.
Vielleicht etwas mißverständlich, was das manager magazin richtig über die 1957 begonnene Entwicklungsgeschichte des „Groschenimperiums" schreibt: „... Bis 1970 unterschrieben 1000 Kneipiers rund um Espelkamp einen Zehn-Jahres-Vertrag. Die meisten von ihnen sind noch heute Kunden."
Branchenintern gehört natürlich die Erläuterung dazu, daß Paul Gauselmann das Aufstellunternehmen schon Anfang der 70er Jahre an seine Brüder übertragen hat und sich selbst auf der Aufstellstufe nicht mehr engagiert. Allerdings macht er auf direktes Befragen keinen Hehl daraus, finanziell weiterhin auch an diesem Geschäft beteiligt zu sein.
Als echter Klopfer muß innerhalb der Branche aber dieser Absatz empfunden werden. O-Ton manager magazin: „Normalerweise laufen von einem Spielautomaten nicht mehr als 2000 bis 5000 Exemplare vom Band. Die Produkte sind kurzlebig. 'Manchmal ist schon nach vier Wochen Schluß', sagt Gauselmann. 'Es herrscht die gleiche Schnelligkeit wie im Showgeschäft.' Die Gewinnspannen sind saftig: Der Stückpreis liegt zwischen 4.000 und 6.000 Mark, die Herstellungskosten betragen rund 2.000 Mark."
Paul Gauselmann, der ausdrücklich darauf hinweist, daß die Aussage über Gewinnspannen kein Zitat ist, begegnet dem Reporter dennoch mit Nachsicht: „Der junge Mann hat offenbar noch wenig Industrie-Erfahrung. Er hat die reinen Materialkosten allein dem Verkaufspreis gegenübergestellt und dabei die schwerstwiegenden Kostenfaktoren wie Löhne, Investitionen für Gebäude und Maschinen, Vertrieb und Entwicklung völlig außer acht gelassen."
Aber auch einige wörtliche Wiedergaben in der mm-Reportage sind unkorrekt. Beispiel aus der Thematik Umrüstaktionen für hackergeschädigte Discs: „Innerhalb von 14 Tagen haben wir 31.000 Austauschprogramme auf dem Markt etabliert."
Paul Gauselmann zum Automaten Markt richtig: „Es waren 61.000, und das habe ich auch gesagt."
Oder: „In Gauselmanns Firmengruppe, die in den letzten fünf Jahren über 200 Millionen Mark investierte, liegt die Umsatzrendite bei fast zehn Prozent. Der Automatenkönig:'Besser als bei Daimler-Benz'."
Bekanntlich sind die Renditen bei Daimler Benz oder bei Nixdorf erheblich höher als in unserer Branche. Paul Gauselmann: „So habe ich es auch gesagt!"
Noch ein falsches Zitat gleich unterm Aufmacher-Foto. „Ich bin ein Goldgräber", läßt der Redakteur den Firmengruppenchef sagen. Damit bezieht er sich auf eine Aussage am Schluß des Artikels und wird damit zum Opfer des Druckfehlerteufels. Der Widerspruch ist nämlich offensichtlich, wenn es da einerseits heißt „Ich bin ein Goldgräber" und dann weiter „Dem Zufall überlasse ich nicht allzuviel." Da wurde nur ein „K" vergessen: „Ich bin k e i n Goldgräber."
So kennen wir Paul Gauselmann. Er braucht nicht besonders hervorzuheben, daß für ihn das Geld nur sekundär, aber auch wichtig ist. Daß er aber in erster Linie die Gesamtheit der Freizeitindustrie und darin eingebettet die münzbetätigten Spielgeräte, also unsere Branche, im Auge hat, wollen wir ihm gerne abnehmen, jedoch mit der Einschränkung, daß er mit seinem Unternehmen aber auch maßgeblich dort mitschwimmen will - so Paul Gauselmann.
Trotzdem hat er gegen die Uberschrift „Paul im Glück" im manager magazin nichts einzuwenden: „Zu jedem Erfolg gehört auch ein Quentchen Glück. Aber Glück hat nur der Tüchtige!"
Allergisch allerdings reagiert Paul Gauselmann auf die immer wieder aufgewärmt reißerischen Angriffe von Kritikern, die ungeprüft und überzogen die Thematik der alten Spielverordnung aufwärmen. Der unzutreffende Vorwurf, die Branche hätte die Spielverordnung dadurch unterlaufen, indem sie durch Raumteiler mit drei Automaten eigenständige Spielhallen kreiert hätte, ist eine Unterstellung, gegen die sich Paul Gauselmann wehrt. „Das Bundesverwaltungsgerichthat im Oktober 1984 diese Praxis für zulässig erklärt mit der Feststellung, daß die Branche legal gehandelt hat..." Dies kommt im mm-Beitrag seines Erachtens nicht deutlich genug zum Ausdruck. Aber auch Wirtschaftsredakteure müssen ihren Stoff lesegerecht verkaufen. Da paßt es nicht so knochentrocken. Immerhin wird jedem deutlich, daß es sich letztlich nicht um einen Trick der Branche gehandelt hat, sondern um höchstrichterlich bestätigtes Recht: Paul Gauselmann ist heute stolz darauf, daß das von ihm 1975 bei Professor Dr. Friedrich von Zezschwitz in Auftrag gegebene Gutachten die Grundlage dafür geschaffen hat.
Doch schmückt ihn der Reporter auch mit fremden Federn. Die schüttelt er ebenso gern ab. Beispielsweise habe er nicht als erster „Geldspeicher in die Automaten" eingebaut, die „sogar Fünfmarkstücke für 16 Partien hintereinander schlucken". Die Münzvorlage sei bereits 1968 per Gerichtsurteil von den damaligen Herstellern verwirklicht worden. Damals habe er selbst an eine Eigenproduktion noch nicht gedacht.
Auch als Erfinder der Risiko-Taste will sich Paul Gauselmann nicht feiern lassen. Wohl als Erfinder der Risikoleiter, wie sie heute allgemein branchenüblich ist. Stolz holt er ein Dokument hervor, womit das bestätigt wird: Patentschrift DE 2938207 C 3. Patent angemeldet am 21. September 1979, Veröffentlichungstag des geänderten Patents: 09. Juli 1987. Paul Gauselmann: „So ein Verfahren dauert manchmal lange."
Es beunruhigt ihn nicht, daß der Antrag beispielsweise für den ebenfalls zum Patent angemeldeten Kartenwender in Spiel- und Unterhaltungsautomaten noch läuft: „Wenn das kopiert wird, kassieren wir eben Lizenzgebühren."
Bei allen Abstrichen, die auch er an der mm-Reportage macht, steht er dazu ebenso positiv wie zur öffentlichen Darstellung im allgemeinen: „Wer in der öffentlichen Diskussion steht, muß sich auch mit kritischen Stimmen auseinandersetzen. Würde unsere Branche die Öffentlichkeit scheuen, würden wir sehr schnell übergemangelt!"
Die Welt (1994):
Paul Gauselmann (59) aus Espelkamp in Ostwestfalen bestätigt mit seiner Karriere eindrucksvoll die Volksweisheit vom Kleinvieh, das auch Mist macht: Spielautomaten, mit Groschen gefüttert, haben den Handwerkersohn mit Volksschulabschluß und Abendschule in den Stand des Geldadels erhoben: Forbes rückte ihn in der Rangliste der reichen Deutschen auf Platz 200. Der Branchentycoon mit 3500 Mitarbeitern meldete 1993 dem Finanzamt einen Jahresumsatz von 917 Millionen Mark.
Wenn irgendwo zwischen Aurich und Altötting ein Automat blinkt und rattert, wenn Scheiben sich drehen und Flipperkugeln rollen - Paul Gauselmann ist fast immer dabei. Europas Marktführer, Dritter in der Welt, produziert pro Jahr 60 000 münzbetätigte elektronische Spielgeräte - bisher insgesamt eine Million. 380 000 Apparate sind derzeit in Deutschland in Betrieb - in Gaststätten, Imbißbuden und 7000 Spielhallen. 170 000 Geräte, deren Betriebsdauer gesetzlich auf vier Jahre begrenzt ist, gehören zur Kategorie der Daddelkisten: Bei einem Höchsteinsatz von 40 Pfennig und vorgeschriebenen 15 Sekunden Laufzeit geben sie bis zu vier Mark je Spiel heraus; mindestens 60 Prozent Gewinnausschüttung sind vorgeschrieben. Sonderspielserien, in denen häufig vier Mark gewonnen werden, sind auf 150 Spiele begrenzt. 5200 Aufsteller bestücken den Markt mit Geräten. 25 Millionen Deutsche hatten schon Kontakt mit einem Spielautomaten, sieben Millionen haben in diesem Jahr versucht, an Automaten Geld zu gewinnen. Einer von hundert spielt länger als fünf Stunden pro Woche. Diese Dauerzocker sind das Problem der Branche, deren Image oft zwischen Halbwelt und Rotlicht angesiedelt wird: Die Hauptstelle gegen Suchtgefahren in Hamm schätzt, daß 25 000 bis 30 000 Menschen in Deutschland dem Reiz der Spielkästen verfallen sind und zum Teil in ärztliche Behandlung gehören. Hersteller Gauselmann korrigiert diese Zahl: „Das Institut für Therapieforschung hat bei zehn repräsentativen Erhebungen von 1984 bis 1990 auch im Auftrag der Bundesregierung nur 8000 belastete Vielspieler ausgemacht." Er wehrt sich gegen die Nähe zu Dealern und Fuselverkäufern, nennt diese Süchtigen, die glauben, sie hätten mit Ausdauer und Geschicklichkeit eine Chance gegen die Computer-Programme, „pathologische, vorbelastete Spieler, die der Faszination erliegen". Ihretwegen unterbreche eine Automatik die Roboter der neuen Generation nach einer Stunde ununterbrochenen Spielens; zudem trage jede Maschine den unübersehbaren Hinweis des Familienministeriums: „übermäßiges Spielen ist keine Lösung bei persönlichen Problemen."
„Echte Probleme" plagten Gauselmann, der sich 1981 beim Kauf des Konkurrenten und Flipper-Importeurs Nova finanziell beinahe verhoben hätte, bisher nur einmal: 1992 rutschte der Gewinn seiner Firmengruppe, die zur Hochzeit 5100 Menschen Arbeit und Brot gab, „wegen der doppelten bis dreifachen" Mehrwert- und der drastisch angehobenen Vergnügungssteuer für Geldspielgeräte in den roten Bereich. Der Daddelkönig zog den Stecker aus der Buchse: Er reduzierte die Belegschaft, speckte seine alkoholfreien Merkur-Spielotheken auf 150 ab und erholte sich „auch dank des guten Auslandsgeschäfts, das Umsatzverluste im Inland ausglich". Die Erfolgsgeschichte des HobbyTennisspielers, Lions-Club-Mitglieds, Bundesverdienstkreuzträgers und Vorsitzenden des Verbandes der Deutschen Automatenindustrie könnte aus einem Lore-Roman sein: 1956, als das Kneipenpublikum noch mit Würfeln und Skat auskam, wechselte der gelernte Fernmeldetechniker Paul Gauselmann mit 21 Jahren als Servicetechniker in die Automatenbranche. Er erfand Wählscheiben, mit denen Gäste, ohne vom Tisch aufzustehen, Vico Torrianis Schmalz oder Elvis Presleys Rock aus der Musikbox holen konnten. Ein Jahr später machte der Tüftler sich selbständig, „mit 2000 Mark, 100 000 Mark quergeschriebener Wechsel und 20 Musikautomaten".
„Ich habe immer den Spielern zugeschaut", verrät der Mann mit 200 Patenten seinen Wegweiser nach oben.
Zum 60. Geburtstag von Paul Gauselmann 1994.
Ein Artikel aus dem Automatenmarkt 9/94:
Vieles ist Paul Gausehnann schon nachgesagt worden. Doch daß er faul sei, hat bisher noch niemand von ihm behauptet. Das besorgt Paul Gauselmann jetzt selbst in einem Gespräch mit dem AUTOMATEN MARKT Zum besseren Verständnis fügt er jedoch hinzu, daß zwei andere Eigenschaften in seiner Persönlichkeitsstruktur sehr ausgeprägt seien: Ehrgeiz und Verantwortungsgefühl! Und wenn sich Faulheit und Ehrgeiz im Widerstreit befinden, daß dann im allgemeinen der Ehrgeiz obsiegt.
„Der Onkel war ein netter Kerl", erzählt Paul Gausehnann. „Von der Tante möchte ich das auch heute noch nicht sagen. Sie konnte selbst keine Kinder bekommen. Da mußte ich für sie der große Ersatz sein. Sie beschäftigte sich rund um die Uhr mit mir, hielt mich weitgehend von anderen fern."
Mit einem angeborenen Talent, selbst unter negativsten Voraussetzungen noch etwas Positives zu entdecken, sieht er auch darin noch etwas Gutes: „Allerdings habe ich dabei sehr viel gelernt." Auch seine Leidenschaft fürs Spielen nimmt in diesen Kindheitsjahren ihren Anfang. Ausgerechnet in den entbehrungsreichen Kriegsjahren, als Spielzeug für Kinder überhaupt nicht zu haben war. „Wir haben in dieser Zeit mehr gespielt als irgendwann sonst", erinnert sich Paul Gauselmann. „Was sollten wir denn anderes tun! Vor allem in den Nächten, wenn wir wegen Fliegeralarm nicht schlafen konnten. Da haben wir uns eben die Zeit mit Spielen vertrieben." Halma und Mensch Ärgere Dich Nicht wurden im Luftschutzkeller gespielt. Bei Skat und Doppelkopf konnte er kiebitzen.
„Mit neun Jahren war ich ja noch zu jung für die harten Zockerspiele", so Paul Gauselmann rückblickend. „Aber ich habe aufmerksam zugeguckt. Mein vier Jahre älterer Bruder konnte schon fleißig mitdreschen. Manchmal bin ich neidisch gewesen. Denn ohne Geld ist beim Spielen kein Reiz da. Geld muß dabeisein!" Als die Bombenangriffe auf Münster immer heftiger wurden, war er 1943 ins Elternhaus zurückgekehrt. Das; ließ die Zerrissenheit seiner Kindheit'' nur noch deutlicher werden. Der Onkel hatte inzwischen voll Vaters Statt angenommen. Sein wirklicher Vater war nur noch „der andere Vater". Und gegenüber den älteren Brüdern, die in tiefster bäuerlicher Provinz lebten, fühlte er sich als Großstädter anders, als Außenseiter.
„Die haben versucht, aus mir, dem Stadtei, ein Landei zu machen", begründet Paul Gauselmann seinen freien Entschluß, sofort nach Kriegsende, 1945, zu den Pflegeeltern nach Münster zurückzukehren. „Die zerbombte Stadt war prägend für mein Leben", weiß er heute. „Es beeindruckt mich, wie durch Improvisation und Organisation der Wiederaufbau aus den Trümmern wuchs."Der Onkelvater, Schreinermeister am Stadttheater, will, daß aus Paul etwas Besonderes wird. Kunstschreiner schwebt ihm als Ausbildungsziel vor. „Ich wußte zwar nicht, was das ist", schildert Paul Gauselmann seine Einstellung dazu. „Aber Kunstschreiner, das klang schon mal gut."
Doch dann kommt es anders. Sein Abschlußlehrer rät ihm zum zukunftsträchtigen Beruf des Fernmeldemonteurs. Er stellt auch eine Verbindung zum renommierten Unternehmen „Telefonbau und Normalzeit" her. Dort macht man dem Volksschulabgänger allerdings keine Hoffnungen. Ohne Abitur, wenigstens aber Mittlere Reife, werde er ohne Chance sein. Eine Demütigung für den jungen Paul Gauselmann. Er aber sieht es als Herausforderung. Sein Ehrgeiz wird angestachelt. In einer Aufnahmeprüfung setzt er sich gegen sechs Mitbewerber durch, wird als erster Volksschulabgänger Lehrling bei T&N.„Mit seinem Fleiß, seiner Führung und seinen Leistungen waren wir sehr zufrieden und können ihm das Zeugnis eines sehr tüchtigen Fernmeldemonteurs ausstellen", wird ihm von der Firma im Lehrzeugnis bescheinigt. „Wegen seiner guten Leistungen hat er 1953 eine halbjährige Sonderausbildung im Stammhaus Frankfurt erhalten." Wieder nur Einser und Zweier im Abschlußzeugnis der Berufsschule. Diesmal im Verhältnis eins zu eins. Ähnlich die Beurteilungen im Lehrberichtsheft: 1,2 oder 1,4. Auch mal „nur" eine 2. Dazu Paul Gauselmann: „Das war am Anfang, als mich der Ausbilder noch nicht so mochte."
Seine jungen Jahre sind nicht allein von Erfolgserlebnissen und Harmonie gezeichnet. So ist sein Abgang von T&N 1956 sehr abrupt. Als 21jährigen habe man ihn zum Vorgesetzten von zwei älteren Technikern gemacht und überfordert. Dann, 1956, Einstieg in die Automatenbranche bei Thesing in Coesfeld.„Mit einem Arbeitstag von 16 Stunden und mehr", meint er schaudernd. „Das war für mich nicht das Richtige!". Auf den Einwand, daß er heute als Unternehmensgruppenchef oft sicher nicht weniger arbeite: „Das ist was anderes. Diese Arbeit sehe ich mehr als Hobby an."
Viele Hürden, die sich ihm auf dem Weg nach oben stellen, nimmt er mit scheinbarer Eleganz. Als er seinen Aufstellbetrieb um einen Großhandel erweitert, wird ihm vom damaligen Marktführer NSM/Löwen die Belieferung verweigert. Mitgliedschaft im Deutschen Automaten-GroßhandelsVerband (DAGV) wird zur Bedingung gemacht. Doch um aufgenommen zu werden, müssen eine Million Umsatz und entsprechender Warenbestand nachgewiesen werden. Wie soll das ohne Belieferung gehen? Günter Wulff, selbst Techniker wie Gauselmann, löst den Teufelskreis. Mit Geräten aus Berlin kann er die nötige Umsatzmillion erzielen, die ihm den Weg zur DAGV Mitgliedschaft freimacht. Da beginnt man auch in Bingen, sich für den heranwachsenden Großkunden im Ostwestfälischen zu interessieren.
Ein andermal ist es umgekehrt. Da werden ihm aus Berlin Steine in den Weg gelegt.„Das war, als Wulff 1972 seinen Monarch herausbrachte. Ein Gerät mit vielen neuen Raffinessen für den Spieler", erzählt Paul Gauselmann. „Da war ich dumm genug, mich als Vorsitzender des Deutschen Automaten-Verbandes, DAV, und Vizepräsident der Zentralorganisation, ZOA, von Gert W Schulze dazu hinreißen zu lassen, offen gegen dieses Gerät zu opponieren. Wegen Übersteigerung der Spielleidenschaft werde es die Öffentlichkeit gegen uns aufwühlen. In Wirklichkeit, das wußte ich aber damals nicht, hatte Schulzes NSM nichts Gleichwertiges kurzfristig zu bieten." Prompt kommt die Quittung aus Berlin. Wenn er den Monarch so schlecht finde, brauche er auch keinen zu kaufen, läßt ihn Harro Koebke wissen, seinerzeit Geschäftsführer von Wulff. Liefersperre! Es dauert Wochen, bis wiedermal Günter Wulff selbst den Knoten zerschlägt.„Die Sache war gutgegangen", zieht Paul Gauselmann eine wichtige Konsequenz aus diesem Schlüsselerlebnis. „Aber ich nahm mir fest vor, daß mir so was nie wieder passieren dürfe."
Also entschließt er sich, selbst Geräte zu produzieren. Vier Jahre lang in aller Stille entwickelt er seinen ersten Merkur, der den zweiten Buchstaben des Alphabets trägt: Merkur B. Bei der Zulassungsbehörde, der Physikalisch Technischen Bundesanstalt, PTB, begegnet man ihm mit einem mitleidigen Lächeln. Er solle es sich nur nicht so einfach vorstellen. Abermals wird, wie damals bei der Aufnahmeprüfung für eine Lehrstelle, dadurch sein Ehrgeiz entfacht. Jetzt erst recht! Um ein Haar wäre es trotzdem schiefgegangen. Als er mit einem VW Kombi den Prototyp zum Dauertest nach Berlin transportieren will, wird er durch einen Verkehrsunfall gestoppt. Totalschaden! Gott sei Dank war das Gerät unbeschädigt. Mit einem Taxi wird die Fahrt nach Berlin fortgesetzt. Geschafft! Weihnachten 1976 kommt die PTBZulassung für sein erstes Geldspielgerät. Für Paul Gauselmann im Rückblick der schönste Moment seiner bisher 60 Lebensjahre. Obwohl anfangs technisch noch unausgereift, reißt man sich 1977 in der Branche um seine Merkur-Geräte. Wegen der ausgeprägten Spielfreude.
Paul Gauselmann: „Anfangs war ich zufrieden, daß ich mithalten konnte. Dann kam 1974 der Moment, wo ich erkannte, daß sich vieles besser machen ließe. Ich beschloß, es zu tun und sagte eines Abends zu meiner Frau, daß ich, wenn alles gut geht, glaube, daß ich mit meinen Ideen in der Spielothek und besonders bei der Entwicklung und Produktion von Geldspielgeräten wohl sehr bald die Marktspitze erreichen könnte. Da sagte meine Frau nur au weia, au weia!"
Paul Gauselmann hat sein Ziel erreicht. Nicht nur als Marktführer ist seine Stellung unangefochten. Der Vorstandsvorsitzende des Verbandes der deutschen Automaten-Industrie, VDAI, ist anerkannter Branchenführer. Weshalb dieses Engagement? Gauselmann: „Ich habe große Verantwortung übernommen, der ich nicht ausweichen kann und will. Mir ist schon sehr früh im Elternhaus Verantwortungsbewußtsein vorgelebt worden. Schließlich bin ich es maßgeblich gewesen, der unter anderem mit den Merkur Spielotheken und mit der Risikoleiter ein Feuer entfacht und die Branche mit zu ihrer heutigen Bedeutung, aber auch zwischendurch auf die Anklagebank geführt habe. Daraus entstehen immer aufs neue Probleme, die zu lösen ich mich verpflichtet fühle." Dem AUTOMATEN MARKT verrät er sein Geheimnis, wie von ihm Problemlösungen herbeigeführt werden „Manchmal scheinen mich die Probleme zu überwältigen. Dann verdränge ich sie, hole sie Stück für Stück wieder hervor und löse sie scheibchenweise."
Aktuelle Fotos. Quelle: Presseportal Gauselmann
Zum 75. Geburtstag von Paul Gauselmann 2009
aus dem Westfalen-Blatt am 25.8.09
Erfinder der Merkur-Casinos
Deutschlands Automaten-Urgestein Paul Gauselmann wird 75 Jahre
E s p e l k a m p (WB/ef). Er ist einer der bedeutendsten deutschen Automatenunternehmer überhaupt - Paul Gauselmann, der Firmengründer und Vorstandssprecher der Espelkamper Gauselmann-Gruppe, wird morgen 75 Jahre alt.
Seine Karriere ist beispielhaft: Vom nebenberuflichen Ein-MannBetrieb, der Musikboxen aufstellte, schaffte es Paul Gauselmann in fünf Jahrzehnten zum Konzernlenker mit mehr. als 5 000 Mitarbeitern und mit mehr als einer Milliarde Euro Jahresumsatz und »zufriedenstellendem« Ertrag.
Auch in der Wirtschaftskrise investiert Paul Gauselmann stetig in sein Unternehmen. Gesamtinvestitionen von über hundert Millionen Euro wird der Unternehmer allein in diesem Jahr insbesondere in Deutschland tätigen.
Paul Gauselmann wurde am 26. August 1934 als Sohn eines Handwerkers geboren. Er wuchs in Münster auf. Seine Jugend war geprägt vom 2. Weltkrieg und dem Wiederaufbau in der Nachkriegszeit. Schon damals stand für ihn fest: »Ich wollte im Leben mehr erreichen als Normalmaß«. 1950 begann er eine Ausbildung zum Fernmelderevisor bei Telefonbau und Normalzeit (T+N). Mit 21 Jahren übernahm er als jüngster Revisor von T+N einen eigenen Bezirk in Lengerich. In dieser Position hatte er bereits Personalverantwortung für zwei Monteure, einen eigenen VW und ein Einkommen von 370 Mark. Ein Angebot einer Automatenfirma mit einem monatlichen Verdienst von, 600 Mark veranlasste Paul Gauselmann - inzwischen verheiratet und Vater zweier Söhne - 1956 zum Generalimporteur für amerikanische Wurlitzer-Musikboxen nach Coesfeld zu wechseln. In seiner Freizeit entwickelte er eine Fernwahlbox für deutsche Musikboxen, die es bis dahin nur bei amerikanischen Musikboxen gab. Im November 1956 präsentierte er seine Erfindung einem Espelkamper Musikautomatenhersteller und begeisterte damit den technischen Leiter der Firma, der ihn kurzerhand einstellte.
Die Fernwahlbox war die erste Erfindung und das erste Patent von Paul Gauselmann, auf das noch mehrere hundert weitere Patente bis heute folgen sollten.
Seit 1957 arbeitete er nebenberuflich als selbstständiger Musikautomatenaufsteller. Mit 17 Musikboxen und 100 000 Mark begann seine unternehmerische Erfolgsgeschichte, in die später auch seine Brüder Willi und Eugen einstiegen. 1964 wagte er mit 15 Angestellten die Selbstständigkeit. Im Mittelpunkt stand zunächst der Umbau gebrauchter US-Musikboxen in ein neues Gehäuse. Der Durchbruch gelang ihm mit der Erfindung der »Merkur-Spielothek«. Das erste Casino eröffnete er 1974 in Delmenhorst. Heute betreibt Gauselmann 200 »Merkur-Casions« in Deutschland sowie weitere 150 im europäischen Ausland. Der Schlüssel zum Erfolg liegt für Gauselmann im Gespür zu wissen, wo die Vorlieben der Spieler liegen. »Ich habe immer versucht, den Spielern ins Herz zu schauen.«
Paul Gauselmann ist gesellschaftlich engagiert. Zu seinem 65. Geburtstag gründete er seine Stiftung mit heute drei Millionen Euro Grundkapital. Gauselmann ist Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse. Zu seinem 75. Geburtstag stiftet er der Stadt Espelkamp, dem Firmensitz des Konzerns, einen Stadtbrunnen.