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Dressierte Schimpansen

Mit manipulierter Software lassen sich in Spielhallen illegal Gewinne abzocken und sogar Finanzämter betrügen. Der Bayrische Automaten Verband warnt vor dem Einsatz manipulierter Festplatten.

Aus dem Spiegel Ausgabe 4/2009

Das Glück ist unberechenbar. Die meisten Zocker wissen das - und versuchen dennoch, dem Zufall auf die Sprünge zu helfen. Einige behaupten, sie könnten den Spielautomaten ansehen, wann sie sich besonders leicht melken las­sen. Andere schwören, nur die richtige Be­dienung der Tasten an den Daddelkisten würde zum Hauptgewinn führen.

SpiegelKürzlich warnte der Bayerische Auto­maten-Verband die deutschen Spielhallen­betreiber vor einer Methode, die deut­lich mehr Erfolg verspricht. Mit externen Computerfestplatten ließen sich bestimm­te Daddelmaschinen manipulieren, heißt es in der diskreten Mitteilung. Dadurch könnten an den Geräten Gewinne vor­getäuscht und beliebig kassiert werden. Weil die Speicherplatten für die Trickserei in einen Schlitz an den Maschinen gesteckt werden müssten, werde „dringlichst" emp­fohlen, die Öffnung mit Klebeband oder ei­nem Blech zu verschließen.

Mit Tipps für Heimwerker dürfte sich das Problem kaum lösen lassen. Schon lan­ge kursiert in den 8000 Daddelbuden zwi­schen Flensburg und Konstanz die Be­fürchtung, die Frage von Glück oder Pech werde nicht überall dem Zufall überlassen. Doch nicht nur Spieler können tricksen, auch Aufsteller selbst gerieten unter Ver­dacht. Vor vier Jahren etwa stellte die Staatsanwaltschaft Augsburg fest, dass in Spielhallen des größten deutschen Dad­delunternehmers Paul Gauselmann illega­les Glücksspiel mit manipulierten und ver­netzten Automaten betrieben worden sei. Die Beamten konnten allerdings nicht nachweisen, ob die Auszahlung beeinflusst wurde (SPIEGEL 7/2007).
Jetzt aber wird deutlich, dass selbst das Herzstück der Automaten vor Trickserei­en nicht sicher ist: Die Betrüger greifen in die Software der Geräte ein und hinter­lassen nicht einmal Spuren. Nach der heimlichen Abbuchung laufe das Spiel „ganz normal" weiter, klagt das Unter­nehmen Novomatic, das die nun betroffe­nen Automaten herstellt. Allein in Ober­bayern sollen Spielhallen von Unbekann­ten in mindestens 3o Fällen mit getürkten Festplatten geschädigt worden sein, sagt ein Ermittler.


Hellhörig geworden sind angesichts der Tricksereien allerdings auch die Steuer­behörden. In einem vertraulichen Rund­schreiben an alle Steuerfahndungen in Deutschland warnte die Finanzverwaltung Bochum, mit dem Trick könnten auch Au­tomatenaufsteller selbst absahnen. Schließ­lich registrierten die Geräte nur, dass Geld ausgezahlt werde. Ob es sich dabei aber um einen Spielergewinn handle oder ein Aufsteller mit der Methode unbeobachtet mal eben Geld abzweige, lasse sich nicht feststellen. Bei 70 00o der 230 000 in Deutschland hängenden Automaten sei die Trickserei möglich - und der Steuerbetrug kaum zu beweisen.
Manchmal hilft der Zufall: In Baden­Württemberg schwärzten jetzt in zwei Spielhallen Mitarbeiter ihre Chefs an. Die Polizei vermutet als Grund, dass sie bei den illegalen Geschäften nicht mitkassieren durften.
Seit in den Spielhallen die Geräte mit ro­tierenden Walzen durch vernetzte High­tech-Computer ersetzt wurden, können al­lenfalls IT-Spezialisten nachvollziehen, was hinter den flimmernden Bildschirmen tatsächlich passiert. Schon bei früheren Ermittlungen kämpften Fahnder mit den Tücken der modernen Datenwelt. Mal löschten sich bei Durchsuchungen Fest­platten auf unerklärliche Weise selbst. Mal stießen die Ermittler auf Daddelkisten, die mit seltsamen Sendern zur Datenübertra­gung ausgestattet waren.
Ganz genau müsste allerdings die Phy­sikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Berlin wissen, was in den Automaten vorgeht, denn die Behörde ist für ihre Zu­lassung zuständig. Tatsächlich liefert sie sich mit den Betrügern ein Katz-und-Maus­Spiel. Schon im Herbst 2007 sei der PTB anonym eine entsprechend präparierte Festplatte zugeschickt worden, gesteht der zuständige Bereichsleiter Dieter Richter ein.
Diskret versuchte die Behörde damals, das Problem gemeinsam mit dem Hersteller aus der Welt zu schaffen. Der sollte einfach eine neue Software-Version auf die Geräte spielen. Mit „hoher Professionalität" sei es wohl den gleichen Tätern gelungen, auch diese Version zu knacken, vermutet Richter. Nun soll eine wieder erneuerte Software­ Version verwendet werden.

Nicht nur die Hilflosigkeit nährt Zweifel an der Kompetenz der PTB. Auch ein von der Behörde organisierter Geräte-TÜV scheint nur eine Farce zu sein. Dort sollen unabhängige Sachverständige alle zwei Jah­re untersuchen, ob die Daddelautomaten ihrer Zulassung entsprechen. Das Prüf­verfahren, urteilt aber etwa der Informati­ker Thomas Noone, der selbst solche Tests vornimmt, erfülle „nicht die elementarsten fachlichen Kriterien für einen sicheren und nachweisbaren Überprüfungsprozess".
So müssten die Kontrolleure ihre Test­geräte an eine spezielle Geräteschnittstel­le anschließen. „Da merkt die Maschine doch sofort, dass sie getestet wird, und lie­fert alle Werte so, wie sie sein sollen", kri­tisiert Noone. Ähnlich urteilt sein Stutt­garter Kollege Jörg Weißleder: „Wir sollen die Geräte mit einer Software prüfen, die vom Automatenbauer selber kommt", schimpft er, „da werden Gutachter zu dres­sierten Schimpansen."

Dabei könnten mit einem digitalen Si­gnaturverfahren sämtliche Veränderungen an Hard- und Software leicht erkannt wer­den, weiß auch PTB-Mann Richter. Das aber, gibt er zu bedenken, würde zu „er­heblichen Umstellungen für die Industrie und das gesamte Vollzugswesen" führen.

MICHAEL FRÖHLINGSDORF

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