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Gauselmann gründet Stiftung

Spielautomaten-Unternehmer Paul Gauselmann aus Espelkamp hat eine mit €1 Mio dotierte Stiftung gegründet, um Kindern von Spielsüchtigen in akuten Notfällen zu helfen.Wenn Familien in Schwierigkeiten geraten, weil der Vater das Einkaufsgeld verspielt hat, leiden die Kinder oft als erste.


Kinder Spielsucht-Opfer Nr.1

Gauselmann-Stiftung will akute Not lindern Suchtexperten tagen

Espelkamp (WB). Europas größter Spielautomaten-Unternehmer Paul Gauselmann aus Espelkamp hat gestern eine Stiftung gegründet, um Kindern von Spielsüchtigen in akuten Notfällen zu helfen.
Wenn Familien in Schwierigkeiten geraten, weil der Vater das Einkaufsgeld verspielt hat, leiden die Kinder oft als erste. Ihnen will die »Stiftung Kinderfamilien-Hilfe« beistehen. Regierungspräsidentin Marianne Thomann-Stahl (FDP) überreichte Gauselmann gestern die Anerkennungs-Urkunde. Das Stiftungsvermögen beträgt eine Million Euro, der Mindestertrag liegt bei fünf Prozent. Das heißt, dass NRW-weit jährlich 50 000 Euro an die Betroffenen ausgegeben werden. Um das Geld an die Hilfebedürftigen zu bringen, arbeitet die Stiftung mit den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege zusammen, zum Beispiel der Caritas und der Arbeiterwohlfahrt.

Es ist vorgesehen, dass Beratungsstellen vor Ort über die Vergabe entscheiden. »Beträge von 150 bis 250 Euro sollen ausgegeben werden, um akute Probleme zu mindern oder zu beseitigen, die ausschließlich minderjährige Kinder betreffen«, sagte Gauselmann. Vorrangig soll das Geld für Essen, Strom, Heizung, Kinderkleidung oder Kindergartengebühren verwendet werden. Ausdrücklich betonte Stiftungsgründer Paul Gauselmann, dass die Einrichtung nur für kurzfristige Maßnahmen gedacht sei. »Die Hilfe darf nicht zur Gewohnheit werden.« Dafür gebe es Therapien. Gauselmann: »Wir haben den Mut, diese Hilfe anzubieten, ohne Angst zu haben, dass man uns vorwirft, ein schlechtes Gewissen beruhigen zu wollen.« Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge seien etwa 0,2 Prozent der Deutschen über 16 »krankhafte Glücksspieler«. Damit liege Deutschland am unteren Ende der Skala. »Auch wenn diese Zahl zum Glück sehr niedrig ist, ist es eine Zahl, die wir beachten müssen.«

Schätzungen zufolge gebe es bundesweit 250 000 bis 400 000 süchtige Glücksspieler, sagte Ilona Füchtenschnieder, Vorsitzende des Fachverbandes Glücksspielsucht (Herford), gestern bei einer Tagung in Bielefeld. Darüber hinaus gebe es Menschen, deren Glücksspielverhalten »problematisch« sei. »Glücksspielsucht ist mit hoher Beschaffungskriminalität verbunden. Hinzu kommen Verschuldung und massive familiäre Störungen«, erklärte Füchtenschnieder. Dabei seien die meisten Süchtigen abhängig von Geldspielautomaten. 80 Prozent der Menschen, die Beratungsstellen aufsuchten, hätten ein Problem mit dieser Form des Glücksspiels.


KOMMENTAR
Spielsucht - Mehr als ein Feigenblatt

Ob staatliche Spielbank, Sportwette oder privat geführte Automatenhalle: Lange hat sich die Vergnügungsindustrie gescheut, das Wort Spielsucht in den Mund zu nehmen. Dabei gibt es jene Menschen, deren Leben sich nur noch ums Glücksspiel dreht, nicht erst seit gestern. Und ihre Besessenheit kann schlimmer sein, als es die meisten von uns erahnen. So erzählte mir jüngst ein therapierter Spieler, er habe über Monate keine Zeit für seine krebskranke, sterbende Frau gefunden, weil es ihn jeden Tag ins Spielcasino nach Bad Oeynhausen gezogen habe.

Umso erfreulicher, dass Unternehmer Paul Gauselmann nicht die Augen vor der Wahrheit verschließt, sondern die Not jener lindern will, die unschuldig leiden: die Kinder von Spielsüchtigen, die nichts mehr zu essen haben oder in einer kalten Wohnung frieren müssen. Gauselmann vorzuwerfen, seine Initiative diene nur als Feigenblatt und solle ein schlechtes Gewissen beruhigen, wäre zu einfach. Denn erst durch die Gründung der Stiftung hat der Unternehmer die breite Öffentlichkeit überhaupt auf das Problem aufmerksam gemacht, das vielen so nicht bewusst war: dass kleine Kinder die großen Opfer der Spielsucht sind.

Christian Althoff

Westfalen Blatt vom 11.11.08

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