Freitag, April 19, 2024
   
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Entwicklung von GSG-Spielsystemen in der BRD

Ich habe mir gedacht, es wäre mal wieder an der Zeit, eine "etwas andere" Betrachtung zum Spiel an Geldspielautomaten zu posten. Wie ich das zu gern mache: einen Schritt zurück gehen und mal schauen, welches Bild sich aus diesem Überblick ergibt.

Mein Thema für heute ist die Entwicklung von Spielsystemen an GSG in der BRD.

Es gab in der BRD immer ein recht enges gesetzliches Korsett, in das die GSG passen mussten, um eine Zulassung zu erhalten. Die gesetzlichen Vorschriften umfassten die Spieldauer, den Höchsteinsatz, die AQ und die Häufigkeit von Gewinnen.

Vor einigen Jahrzehnten war dieser Rahmen eindeutig und wurde auch beachtet. Ein Spiel hatte 15 Sekunden zu dauern und pro Spiel durfte höchstens der 10fache Einsatz als Gewinn ausgeschüttet werden. Der Höchsteinsatz wurde mehrfach angepasst, ebenso einige andere, eher kleinere Regelungen.


Die ursprüngliche Absicht des Gesetzgebers lässt sich daraus leicht vermuten. Es sollte der möglichen Spielsucht an allgegenwärtig (Kneipe, Schnellimbiss, Wartesaal im Bahnhof) verfügbaren Geräten entgegen gewirkt werden, dies geschah durch eine enge Deckelung der möglichen Gewinnausschüttung, relativ geringwertige Einsätze und durch ein relativ langsames Spiel.

Die frühen GSG in Deutschland waren denn auch kaum dazu geeignet, den Spieler im Rausch des eigenen Adrenalins fortzureißen. Es waren die guten alten Groschengräber mit folgendem Ablauf: Groschen einwerfen, Spielergebnis abwarten, dabei eventuell einen Umlaufkörper nachstarten oder stoppen und am Ende gegebenenfalls den direkt ausgezahlten Gewinn von maximal einer Mark entnehmen. Weder wird bei derartig harmlosen Geräten jemand Haus und Hof verzocken, noch besteht die Gefahr, dass jemand aus lauter Frust und Enttäuschung nach hohen Verlusten einfach die Kiste kaputt schlägt.

Kein Adrenalin als körpereigene Droge, keine Sucht. Einfach nur etwas verplempertes Wechselgeld. Völlig harmlos. Und ein Spielsystem wie eingeschlafene Füße...

Damit ließ sich allerdings auch kein großes Geschäft machen, und so suchten die Hersteller von GSG nach Möglichkeiten, im Rahmen dieser Verordnungen doch noch ein süchtig machendes Spiel zu realisieren. Dabei ließ man sich von der Auffassung leiten, dass nichts so aufregend ist wie die Möglichkeit großer Gewinne; es musste also die Deckelung der Gewinnhöhe umgangen werden.

Nur zu diesem Zweck wurden die "Spiele mit erhöhter Gewinnerwartung", später "Sonderspiele", "Superspiele" etc. geschaffen. (Ich glaube, Bergmann waren die ersten mit dieser Idee, bin mir aber dessen nicht sicher. Nur noch einmal durften wir es später erleben, dass sich ein Spielfeature so rasend schnell verbreitete: bei den Risikoleisten.) Statt eines direkt ausgezahlten großen Gewinnes wurde der große Gewinn einfach in kleine, gesetzlich zulässige Häppchen zerteilt. Auf diese Weise wurde ein ekstatischer Großgewinn, eben ein Seriengewinn ermöglicht.

Damit wurde es erstmals für den Spieler "sinnvoll", mehr als ein paar dürftige Groschen in eine Mühle zu werfen. Im Zuge der nun angestoßenen Entwicklung gab es Einwurfmöglichkeiten für immer höherwertige Münzen (viel später sogar Einzüge für Banknoten) und die Einrichtung von Zählern zur "Münzvorlage", um die neue Spielweise für den Spieler leicht behandelbar zu machen. Es sollte ja schließlich schön einfach sein, sein Geld zu verzocken...

An dieser Stelle hätte der Gesetzgeber in der BRD einsehen müssen, dass die (von mir vermutete) ursprüngliche Absicht der Suchtprävention mit diesen Vorgaben nicht erreicht wurde. Der gesetzliche Rahmen war im Grunde sinnlos geworden. Es wäre die Chance gewesen, vernünftige neue Regelungen für ein Spiel zu schaffen, das transparent für den Spieler ist (ich bin für die unmissverständliche und direkte Anzeige der AQ am Gerät, und ich bin für eine Mindest-AQ von 85 Prozent) und die schlimmsten Exzesse der möglichen Spielsucht bekämpft, ohne dabei die Designer von GSG in einem allzu engen Rahmen zu ersticken. Diese Chance wurde gründlich verpasst, stattdessen wurde an den inzwischen sinnlos gewordenen Regelungen herumgeflickt. Es ist ein typisches Stück Realp'litik der BRD...

Es gab 50er-Serien (Monarch), es gab 80er-Serien (7&8&9), es gab 70er-Serien (Kleeblatt), es gab 100er-Serien (irgendwann an allen Geräten) - Gewinne in der Größenordnung des 400fachen Spieleinsatzes wurden in der diffus gewordenen gesetzlichen Situation ausgeschüttet. Es ist kein Wunder, dass nun einige Menschen damit begannen, viel mehr Geld zu verspielen, als sie übrig hatten.

Die Entwicklung war damit natürlich noch nicht am Ende angekommen.

Anfangs waren Seriengewinne selten. Das sollte sich schnell ändern, da die Serien immer mehr als die "eigentlichen Gewinne" empfunden wurden. Kaum jemand empfand die Aufzählung von 80 Pfennig auf einem Zählwerk als "Gewinn". Damit die Geräte attraktiv beim Spieler wurden, mussten häufige Seriengewinne gegeben werden - oder es musste zumindest ein Spielfeature her, das dem Spieler suggerierte, immer "kurz vor der Serie" zu sein (etwa die NSM-typischen Jackpotleisten).

Hier hat sich besonders ADP mit den ersten Merkur-Geräten hervorgetan. Plötzlich gab es die ganzen 2er- und 3er-Serien, subjektiv entstand dadurch beim Spieler der Eindruck, dass an diesen Geräten häufig und damit auch viel gewonnen wurde. So konnte sich ein neues Spielsystem trotz des etwas geschmacklosen Designs der ersten Merkur-Geräte schnell am Markt durchsetzen. So nach und nach wurde in der Folgezeit von fast allen Herstellern die Häufigkeit von Kleinserien erhöht. Dass diese kleinen Seriengewinne genauso wieder verzockt werden wie zuvor die direkten Gewinne von DM 2,50 und DM 1,80, das haben die meisten Spieler wohl anfangs nicht richtig mitbekommen.

Eine andere Maßnahme zur Erhöhung der Serienhäufigkeit (ohne Erhöhung der AQ) war die Einführung von Serien mit unterschiedlicher Wertigkeit (Gold, Silber, Bronze); diese war damals zwar eher unbeliebt bei den Spielern, ist aber dennoch heute der Normalfall.

Der nächste Schritt, der später alle anderen Spielfeatures verdrängen sollte, war die Einführung der Risikoleisten.

Eine Risikoleiste wertete jeden kleinen Gewinn auf, indem er zu einem möglichen Großgewinn wurde. Die ursprüngliche gesetzliche Absicht eines langsamen Spiels mit kleinem Einsatz war nun völlig dahin, eine Serie von 25 Sonderspielen (immerhin bei gutem Lauf 40 Mark) konnte mit einem einfachen Druck auf eine Taste blitzschnell verzockt werden. Pures Adrenalin, endlich ein richtiger Suchtstoff, mit dem man die Spieler fesseln kann! Erst mit diesem Feature wurde die Spielsucht ein größeres Problem.

(Ich kenne mehrere süchtige Spieler, und zumindest vor ein paar Jahren habe auch ich deutlich mehr Geld verzockt, als ich mir leisten konnte. Meine Kur waren die neueren Mühlen, bei denen mich das Spiel immer häufiger an eine Klospülung erinnerte, bis mir die letzte Lust verging.)

Die Reaktion des Gesetzgebers auf die neuen Spielsysteme und die neuen Gefahren: Das Problem wurde ignoriert und die Diffusität der Regelungen aufrecht erhalten. Statt dessen ein paar so genannte "Selbstverpflichtungen" der Automatenbauer, natürlich ohne besondere Verbindlichkeit. Warum auch etwas tun? Die Umsätze stimmen doch.

Wie es weitergeht, können wir gerade sehen.

Der Umweg über Serienspiele wird nicht mehr beschritten, stattdessen wird eben um Punkte gezockt, die langsam wieder in Geld verwandelt werden können. Oder um Geld, das langsam ausgezahlt wird. Die "tolle neue Zeit" des Zockens am GSG ist schnell, blau, laut... und teuer.

Der Gesetzgeber hat den schnellen Zock ermöglicht - wer die dazu erforderliche Lobbyarbeit unter den korrupten und verantwortungslosen P'litikern der Jetztzeit geleistet hat, kann sich hier wohl jeder vorstellen.

Die ganze Geschichte der Spielsysteme in der BRD basiert auf zwei Grundlagen. Es gab einerseits einen engen gesetzlichen Rahmen, der andererseits mit verschiedenen Kunstgriffen der Automatenbauer umgangen wurde. Die psychologische Kraft, die diesen Prozess ermöglicht hat, ist der vorrübergehende Adrenalinrausch ungezählter Spieler.

Auch die aktuelle SpVO mit allen ihren Regelungen erscheint einem wachen und denkenden Menschen nur als Heuchelei. Alle dort festgelegten Rahmenbedinungen für die Zulassung eines GSG in der BRD sind ziemlich sinnfrei. Für den Spieler ist das Spiel weniger transparent denn je zuvor, und als ob das nicht reichen würde, sind auch die Gewinnpläne ziemlich unverständlich geworden. Ein Zock wie in einem Spielcasino ist allgegenwärtig eingekehrt, ohne dass die Hemmschwelle eines Casinos davor stünde.

Die aktuelle SpVO muss weg.

Es ist einfach schizophren, die Gewinnhöhe pro Spiel gesetzlich zu deckeln, aber gleichzeitig die Ausschüttung von Großgewinnen über mehrere Spiele zuzulassen. Für den Spieler ist es unkomfortabel, und die Automaten-Designer müssen sich seltsame Kunstgriffe einfallen lassen, um dieser staatlichen Schizophrenie Genüge zu tun. Da könnte auch der direkte Großgewinn ermöglicht werden, ohne dass sich etwas ändern würde - von Suchtprävention ist im Moment keine Spur. Statt dessen muss eine Regelung her, die alle Aspekte des Spieles für den Spieler transparent macht. Die AQ eines Geräte gehört direkt und unmissverständlich angezeigt - was die Spieler wollen, das werden die Spieler schon entscheiden. Sonst wird die P'litik doch auch nicht müde, von den "Kräften des Marktes" und "aufgeklärten Verbrauchern" zu plappern.

Meine eigene Entscheidung ist jedenfalls getroffen - kein Automat mit Baujahr nach 1990 kann mich noch reizen. Schade, dass die Automatenbauer (noch) nicht mit Retro-Geräten experimentieren, sonst würde ich vielleicht mal wieder.

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