Der Glücksspiel-Pate

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Der Glücksspiel-Pate

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Der Glücksspiel-Pate

Marktführer Gauselmann fürchtet nach schärferen Auflagen eine Pleitewelle in der Branche

Er steht noch keine Minute am Gerät, da ist Paul Gauselmann schon sieben Euro reicher. Oder ärmer, wie man's nimmt. Der Automat, an dem der 77-Jährige im Nadelstreifen-Dreiteiler gerade einen Lauf hat, gehört ihm nämlich, und die Spielhalle, wo er am "Blazing Star" daddelt, gleich mit dazu. Sogar die ganze Firmenkette, 200 deutsche Merkur-Spielotheken und 150 Casinos im Ausland: alles seins. "Da ist was in der Luft", murmelt er und tackert auf eine blinkende Taste. Prompt quäkt und klingelt es wieder, drei Zitronen flutschen zwischen wild rotierenden Kiwis und Trauben und Orangen in Formation. Aufgeräumt klaubt der Mann mit dem sorgsam gestutzten Kinnbart seinen Gewinn aus den Eingeweiden der Maschine. "Das kann natürlich auch umgekehrt ausgehen", sagt er munter und zählt flugs die Münzen nach, bevor er sie im Portemonnaie versenkt.

Bei Paul Gauselmann geht es selten umgekehrt aus. Am Ende ist er meist der Sieger, oder zumindest war das bisher so. Gauselmann gewinnt, wenn andere spielen und verlieren. Der Handwerkersohn, der in den 50er-Jahren als Fernmelderevisor 370 Mark Monatsgehalt heimbrachte und mit seiner jungen Familie im tristen Mietsblock wohnte, hat sich sein eigenes Spielautomaten-Imperium errichtet und beschäftigt heute 6300 Menschen. Keiner betreibt mehr Spielsalons, keiner in Deutschland baut mehr Geld-Gewinn-Geräte und verkauft sie weltweit an Kneipen, Casinos und Spielhallen als "Gauselmann - Die Spielemacher" aus Espelkamp in Ostwestfalen, eine knappe Autostunde nördlich von Bielefeld.

Doch jetzt sind über dem Spiele-Reich dunkle Wolken aufgezogen. Im Dezember haben alle Bundesländer mit Ausnahme von Schleswig-Holstein dem neuen Glücksspielstaatsvertrag zugestimmt, im Juli soll er in Kraft treten. Die Spielhallenbetreiber bekommen dann schärfere Auflagen. Derzeit beraten die Ministerpräsidenten, wie sie die Gesetze im Land umsetzen. Gauselmann, der seit mehr als 30 Jahren auch dem Verband der Deutschen Automatenindustrie (VDAI) vorsteht, malt als erfahrener Lobbyist die Zukunft düster: "Viele der 5000 mittelständischen Spielhallenbetreiber werden in die Pleite getrieben." Zwei Drittel der 70.000 Arbeitsplätze würden verschwinden, wenn alles eins zu eins umgesetzt würde.

Bisher ist das Glücksspiel Staatsmonopol, mit Ausnahme der Automaten, die privat in Hallen und Kneipen betrieben werden dürfen. Die von Brüssel erzwungene Reform wird zwar den Markt einerseits etwas öffnen: Insgesamt 20 Buchmacher dürfen dann eine Lizenz erwerben und legal Sportwetten anbieten. Zugleich werden aber für Spielotheken die Auflagen verschärft. Die Politik will längere Ruhezeiten und Mindestabstände von ein paar Hundert Metern zwischen zwei Hallen durchsetzen, vor allem aber sehr viel weniger Automaten pro Spielothek als jetzt erlauben, um die Gefahr der Spielsucht zu bekämpfen. Automaten-Papst Gauselmann hält das alles für vorgeschoben. Die wenigstens Spieler, sagt er, seien krankhaft spielsüchtig. Dem Staat gehe es nur darum, sein Glücksspielmonopol zu verteidigen. Nur darum werde seine Branche "erdrosselt".

Vorerst rotiert und blinkert und klingelt es in Gauselmanns Vorzeige-Spielothek in bester Espelkamper Hauptstraßenlage aber unverzagt, 23 Stunden pro Tag. Nur zwischen fünf und sechs Uhr morgens ist geschlossen. In dem Ausbildungsstandort dürfen künftige Filialleiter schon mal am echten Kunden üben. Und der Chef lässt sich nach seinem Erfolg am "Blazing Star" in den nächsten Lederstuhl fallen, um seinen Allzeit-Liebling, den Disc 100, ein bisschen zu kitzeln. Doch ein Zauberhändchen, das jeden Automaten bezwingt, hat er auch nicht. Ruck zuck sind seine sieben Euro Gewinn wieder weg, und noch drei dazu.

Aber der Disc, wo sich Scheiben statt Walzen drehen und eine Risikoleiter viele Sonderspiele verheißt, hat Gauselmann eben längst auf andere Weise Glück gebracht. "Der ist damals eingeschlagen wie eine Bombe, das gab's nie wieder." Gauselmann tätschelt dem schwarzen Kasten, der gerade seinen Zehner verschluckt hat, die blecherne Flanke. 40.000 verkaufte Einheiten, so viel hat kein Automat danach geschafft. "Ein tolles Zockergerät. Das war damals richtig reizvoll."

Aus dem Disc 1000 konnten Spieler Mitte der 80er-Jahre mit viel Glück auf einen Schlag 150 Mark herausholen, das war damals viel Geld. Kurz nach der Markteinführung 1984 hat er daher seinen Erfinder zum Marktführer gemacht, und seither hat er die Pole Position nicht mehr verlassen. Im letzten veröffentlichen Geschäftsjahr 2010 setzte die Gauselmann-Gruppe 982 Mio. Euro um, nach 802 Mio. Euro im Jahr zuvor. Gauselmann macht zwar keine Angaben zum Gewinn. Aber Deutschlands drittgrößter Spielhallenbetreiber Extra Games beispielsweise gibt die Umsatzrendite mit sechs Prozent an. Insgesamt geht es der Branche nach wie vor prächtig: 2011 landeten in Deutschland 4,1 Mrd. Euro in Automatenschlitzen, 1,5 Milliarden Euro davon flossen als Steuern in die öffentlichen Haushalte.

Kein Grund zur Freude, findet der "Fachverband Glücksspielsucht" aus Herford. Dieser hält Automaten für extrem gefährlich und würde sie gern unter das staatliche Glücksspielmonopol einordnen. Der Verband verlangt zudem Ausweiskontrollen in Spielhallen oder den Abbau von Automaten aus Bereichen, die für Jugendliche erreichbar sind.

Gauselmann versucht dagegen, seine Merkur-Spielotheken als "moderne Entertainment-Center" zu positionieren. Das Bling-Bling der Automaten und die beleuchteten, kegelförmigen Wasserspiele, das weiche Licht, die von eigenen Designern entworfenen wilden Ornamente auf Wänden und Teppichboden, all das soll einen Hauch von Las Vegas nach Espelkamp bringen, oder nach Delmenhorst, Pforzheim, Heilbronn oder Neu-Ulm. "Mindestens zwei Millionen Euro Investitionen pro Standort", sagt der Merkur-Chef, während er durch eine Glastür vom Raum "Prater" in den Raum "Fortuna" marschiert und damit im Jargon seiner Branche von einer Konzession in die nächste gewechselt ist. Jede Konzession ist eigentlich eine von den anderen unabhängige Spielhalle, daher müssen auch Wand und Tür, und seien sie aus Glas, dazwischen sein. Denn die Spieleverordnung begrenzt die Gerätezahl pro Konzession auf zwölf. Wer mehr Automaten pro Standort aufstellen will, muss Konzessionen bündeln.

Künftig sollen diese Mehrfachkonzessionen verboten sein. Pro Spielhalle dürften dann tatsächlich nur noch zwölf Geräte locken. Aber das rigorose Handeln der Länder gefährdet womöglich wichtige Grundrechte, etwa die Berufs- oder Dienstleistungsfreiheit, glaubt Paul Gauselmann. "Wir haben doch eine unbefristete Betriebserlaubnis", sagt er. Die könne doch nicht einfach so entzogen werden. "Das wäre, wie wenn man plötzlich die auf Lebenszeit vergebenen Führerscheine einzieht und sagt: In fünf Jahren gelten die nicht mehr." Mit zwölf Automaten pro Spielothek lohne sich der Betrieb mit Miete, Personal und Nebenkosten nicht mehr, wenn man einen guten Betrieb vorzeigen wolle.

Quelle
Zuletzt geändert von Gast am 16.05.2018, 21:18, insgesamt 9-mal geändert.

spielt
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Re: Der Glücksspiel-Pate

Beitrag von spielt »

Eine eher Neoliberale Zeitung bringt einen kritischen Bericht zum Thema Spielautomaten.
Sehr seltsam ::105::

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